Meine Arbeit mit Menschen

Schenkt man der gängigen Annahme glauben, müsste der Großteil der im Autismusspektrum verorteten Menschen mit Computern arbeiten, sofern sie denn überhaupt einer Tätigkeit nachgehen. Mindestens sollte es aber mit ihrem Spezialinteresse zu tun haben.

Doch gerade Spezialinteressen sind weit gefächert und so unterschiedlich, wie die Menschen selber es sind.

Dieses Jahr durfte ich einige neue Seiten an mir kennen lernen.

Im Sommer bin ich zum zweiten Mal von zuhause ausgezogen und es stand von vorneherein fest, dass dieser Auszug mit der neuen Aufnahme einer Nebentätigkeit einherging. Der Nebenjob, den ich bis dahin ausübte bot leider keine regelmäßigen Einnahmequellen und so orientierte ich mich völlig neu.

Ich begann im Einzelhandel, mit Menschen zu arbeiten.

Meine Freundin, und zugleich meine Chefin, wusste von Anfang an von meiner Besonderheit und ich erzählte ihr von meinen Unsicherheiten, wusste ich doch nicht, ob ich mit den unregelmäßigen und wechselnden Arbeitszeiten, dem durchgehenden Kontakt mit Menschen, sowie den äußerlichen Reizen zurecht kommen würde.

Ihre schlichte Antwort: „Wir probieren es! Wir haben doch nichts zu verlieren!“

An meinem Probetag fackelte ich nicht lange, ging auf die Kunden zu, sprach sie an und scheute mich auch nicht davor zuzugeben, wenn ich etwas nicht wusste, nicht auf Anhieb fand oder mit anderen für mich neuen Situationen konfrontiert wurde.

Ich bin nun in der Lage, meinen eigenen Lebensunterhalt neben dem Studium zu verdienen.

Meine Arbeitssituation sehe ich als absolutes Erfolgserlebnis an. Jeden Arbeitstag gehe ich ruhig und gewissenhaft vor, trotz der variablen Komponenten, von denen man im Vorfeld nicht weiß wie sie ausfallen werden. Ich erlebe mich als wortgewandt, aufmerksam und schlagfertig. Gebe mir Mühe, Nuancen und feinere Tonabstimmungen der zwischenmenschlichen Kommunikation anzuwenden und erfolgreich zu nutzen.

Komplimente erhalte ich für meine Ehrlichkeit. Diese wird wohl auch mit Kompetenz gleichgesetzt; ich brauche nichts schön zu reden und vertraue auf mich und meine Aussagen, die ich treffe. Sowie auf die Gewissheit, dass ein Mensch wieder kommt, fühlt er sich ernst und wahrgenommen, wird ein gewisser Wohlfühlabstand beachtet und Freiraum gewahrt. Ich dränge niemandem etwas auf, achte genau auf die Körpersprache, die ausgesendet wird.

Ich gehe das Ganze an, als würde ich eine Studie führen. Wie so vieles in meinem Leben. Beobachte genau. Schaue, wie Leute agieren und ziehe Schlüsse daraus für mein Verhalten.

Alles, was ich bin, präsentiere und zu sein scheine, habe ich mir hart erarbeitet. Nichts überlasse ich dem Zufall. Disziplin lässt mich morgens aufstehen, auch wenn es mir nicht gut geht und durchhalten wenn ich am liebsten aufgeben und weglaufen würde.

In meinem Kopf befinden sich tausende von unterschiedlichen Varianten und Variablen, Verhalten das ich abspule, Wegweiser im Kopf, die mir helfen zu agieren und zu reagieren. Ich scanne schnell.

Wie eine sich ständig erweiternde Datenbank präsentiert sich mein Kopf.

Ich gehe denselben Tätigkeiten nach, wie die anderen Aushilfen auch. Bin mittlerweile sogar in der Lage auf der Arbeit Telefongespräche anzunehmen. Ich kann gute Verkäufe nachweisen und empfinde großen Spaß.

Es gibt immer mal grummelige Leute, die unfreundlich und manches andere sind, doch den Großteil erlebe ich als neutral bis sehr nett gestimmt.

In Zukunft werde ich noch weitere meiner Erfahrungen teilen. Ich lerne viel hinzu!

 

 

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3 Gedanken zu “Meine Arbeit mit Menschen

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