Es klingelt zur Frühstückspause. Nach und nach werden die Brotdosen ausgepackt, die Sigg-Flaschen daneben gestellt. Der Milch- und Kakaodienst macht sich auf den Weg, um die kleinen Kisten mit den Glasfläschen vom Hausmeister zu holen.
Ich sitze an unserem Gruppentisch, außen an der Wand, mit dem Blick über den gesamten Klassenraum. Mein Essen liegt vor mir ausgebreitet (dabei achte ich genau, dass nichts auf der nackten Tischplatte liegt) auf dem Tisch und ich freue mich. Freundin L schielt zu mir rüber und lacht herzahft. Ich weiß schon was sie meint und lache ebenfalls. Jaja. Freundin S hingegen schaut entsetzt zu mir rüber. „Oh ne Anna, wollen wir vielleicht tauschen? Hier, möchtest Du etwas abhaben, habe noch voll viel Paprika!“ „Nein danke, ich mag keine Paprika.“
Klassenkamerad S schaut herüber: „Anna, möchtest du was von meiner Bifi haben?“ „Nein danke, ich mag keine Bifi.“ L sieht mich an: „Hast Du dir auch einen Kakao bestellt?“ Gespielt entsetzt blicke ich sie an. Wir fangen an zu lachen.
Nun zu dem Inhalt meiner Brotdose: Er bestand aus einem Brot, mit Butter. Dazu hatte ich Leitungswasser in einer Tupperflasche. Ich mochte einfach nichts anderes. Oft aß ich das Brot noch nicht einmal, weil ich einfach keinen Hunger in der Schule verspürt hatte.
Ich war nicht wie meine Freunde in der Klasse. Ich mochte kein Nutella. Keine Apfelschorle. Keine Cola. Kein Gemüse. Keinen Kakao. Keine Milch. Keine Bifi. Keine Wurst außer Lachsschinken oder Gutfried.
Oft schienen mich meine Klassenkameraden förmlich zu bemitleiden, da mein Essen zugegebenermaßen wirklich karg aussah. Aber ich war zufrieden. Ich brauchte nichts anderes.
Neue Szene:
Übernachtungsbesuche bei Freundinnen. Der Abendbrottisch ist reichlich gedeckt. Ich greife zu Brot und Butter. Dazu trinke ich Leitungswasser. Und zwar nur Leitungswasser. Auch kein stilles Wasser aus der Flasche. Nein nein, es muss Leitungswasser sein, sonst ist es ja nicht dasselbe. Der einzige Brotbelag den ich wirklich sehr gerne esse ist Pflaumenmus. Meine engen Freunde, bei denen ich öfter zu Besuch und zum Essen zuhause war, wussten dies. So hatten ihre Familien, meist extra nur für mich, eine Packung Pflaumenmus in ihrem Schrank.
Eine weitere Szene:
Kindergeburtstag. Stellt euch die große geschmückte Tafel vor. Ein Schokokuchen, mit kleinen Schokoküssen und Smarties garniert. Gummibärchen auf dem Tisch verteilt. Smarties. Süße Getränke und Eis. Ich mochte leider keinen Kuchen. Dafür naschte ich den Kleinkram drumherum. Besonders gerne die Gummibärchen. Und Kekse. Am liebsten Butterkekse ohne viel Schnickschnack. Eigentlich nur Kekse ohne Füllungen und Glasuren.
Erst seit meinem 16. Lebensjahr fing ich an mehr zu probieren und mehr zu mögen.
Hallo Anna,
danke für die sympathisch-anschauliche Schilderung! 🙂
Wie war es denn mit dem Probieren, als du 16 warst?
Ich stelle mir das dann als richtiges Abenteuer vor!
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Hallo Ismael,
Oh ja, spannend war es wirklich.
Ich habe zum Beispiel mit ca 17 Jahren angefangen Cola zu trinken. Seit einem halben Jahr mag ich Champignons und gestern habe ich Radieschen probiert.
Seit Ostern mag ich sogar Erdbeeren! 😀
Nach und nach traue ich mich an immer mehr Lebensmittel heran, bin offener geworden für Neues.
An Geburtstagen esse ich nun sogar Kuchen! Teilweise frage ich mich, wieso ich dies nicht viel früher probiert habe, aber ich war wohl einfach noch nicht ‚bereit‘ dafür.
Ein Beispiel : Bei McDonalds habe ich bis zu meinem ca 16 Lebensjahr nur das Brötchen von dem Hamburger gegessen, nichts anderes. Ich wollte zwar den Geschmack vom Fleisch und der Soße darauf haben, aber nicht die Konsistenz, also nicht das Nahrungsmittel ‚in echt‘.
Irgendwann war ich dann dort und nahm wirklich meinen ganzen Mut zusammen und biss in einen kompletten Burger hinein. 🙂
Ähnlich war es bei den anderen Lebensmitteln, die ich mich vorher einfach nicht traute zu probieren.
Es gibt aber auch heute noch vieles, was ich nach wie vor nicht mag, zum Beispiel Eis. 😀
Mittlerweile macht es mir großen Spaß neues Essen zu probieren.
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Danke! Es macht Spaß, deine Probierabenteuer lesenderweise mitzuerleben!
Und, – die richtig aromatischen Erdbeeren kommen erst noch in den nächsten Wochen auf den Markt. 😉
Da kannst du dich schon mal darauf freuen. 🙂
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Apropos Erdbeere, habe gerade welche gegessen; TOP! 😀
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Delicious!
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