Oft habe ich davon gesprochen „einen anderen Weg zu gehen“, gehen zu müssen. Letztes Jahr war ich an einem Punkt, an dem ich am liebsten kapituliert, alles hart erarbeitete hingeschmissen hätte.
Autismus ist etwas das hast du immer. Es geht nicht weg, es wird nicht „besser“, es ist mal anders, mal so, mal wieder anders.
Immer und immer wieder werde ich mit mir selber konfrontiert, setze mich in Bezug zur Umwelt, muss mein Verhalten und mich reflektieren und auch anpassen.
Das ist anstrengend. Es findet unsichtbar statt.
Ich möchte ehrlich sein; hätte ich keine Unterstützung in Form meiner Familie und der Menschen, die mich grenzenlos auffangen und unterstützen dann wäre ich nicht dort wo ich bin.
Ein Mensch, mit Autismus und/ oder anderen Besonderheiten ist auf Entegegenkommen seiner Umwelt angewiesen. Er kann sich unter Umständen mitteilen, sein Empfinden äußern und dennoch ist er darauf angewiesen, dass das Gesprochene auf fruchtbaren Boden fällt. Darauf, dass das Gegenüber sich auseinandersetzt, es wirken lässt. Häufig habe ich ein schlechtes Gewissen, versuche mich zu erklären, komme mir selber merkwürdig vor. Rückblickend suche ich dann gerne das Gespräch und möchte mich austauschen. Dies ist mir sehr wichtig, denn so können potenzielle Missverständnisse erläutert werden und gerade wenn ich zuvor nicht in der Lage war zu sprechen oder extrem gehandelt habe, kann ich es mit zeitlichem Abstand erklären und mein Empfinden mitteilen.
Es kann nicht in mein Inneres geblickt werden, deshalb möchte ich Sensibilität schaffen und auch meinem Gegenüber dadurch Respekt zollen. Findet daraufhin ein fruchtbares Gespräch statt macht es mich sehr glücklich und ich fühle mich wertgeschätzt.
Das private Umfeld ist das eine. Besonders wichtig für Menschen mit Besonderheiten ist, in unterschiedlichen Ausprägungen, der Kontakt mit Ärzten, sowie pflegenden/ behandelnden/ unterstützenden Fachpersonen.
Die Erfahrungen meiner Familienmitglieder, sowie meine eigene dienen mir als Grundlage für diesen Beitrag.
Mein Familienmitglied ist was Ärzte anbelangt, wie in vielen Bereichen des Lebens, sehr konsequent. Fühlt es sich nicht angemessen behandelt, wird nicht Wort gehalten oder soll es zu Dingen gebracht werden, die es nicht möchte dann fällt es seine Entscheidung und wird die Praxis nicht mehr aufsuchen. Transparenz ist wichtig, Aufrichtigkeit und vorallem gegenseitiger Respekt. Mein Familienmitglied ist unheimlich klug und rhetorisch sehr bewandert. Fremden gegenüber für sich einzustehen strengt es jedoch sehr an. Mein Familienmitglied befindet sich nicht in einer Autismustherapie. Es hat jedoch eine Hausärztin, die sehr gut über Autismus Bescheid weiß, was sehr unterstützend ist.
Ich habe keinen Therapeuten und keinen Arzt, bei dem ich das Gefühl habe, dass das was ich sage und empfinde in Bezug zu meinem Autismus gesetzt werden kann.
Mir eröffnete sich eine neue Situation:
Mein Hausarzt ist vor Kurzem in Rente gegangen. Mit ihm hatte es sich über die Zeit gut eingependelt, er hielt mir den Rücken frei, wenn ich vor Erschöpfung nicht zur Arbeit gehen konnte, schützte mich und half mir dadurch auch, mich selber zu schützen.
Nun hat eine neue Ärztin die Praxis übernommen und leider hat sie keine Ahnung von Autismus. Nach meinem ersten und bisher einzigen Termin bei ihr, ging ich aus der Praxis und hatte zeitweilig das Gefühl, mir wäre der Boden unter den Füße weggezogen worden. Der erste Impuls war, nie wieder dorthin zu gehen. Bei einigen Aussagen fühlte ich mich wie ein Kind behandelt, dies stieß mir sauer auf. Ich verarbeitete dies durch Gespräche mit meiner Mutter, wir erläuterten die Situation und das weitere Vorgehen. Dies half mir mich und das Erlebte zu ordnen.
Mal schauen wie ich handeln werde, es eröffneten sich mir einige weitere Optionen und vielleicht gehe ich einen Arztwechsel ein.
Mir ist bewusst, dass ich nicht erwarten kann, dass sich die Gesellschaft nur um Autismus dreht. Jedoch erwarte ich eine Kraftanstrengung, genauso wie wir sie auch erbringen müssen, um die Gesellschaft zu unterstützen und teilhaben zu können.
Uns ist dies nicht automatisch alleine inne, nur weil wir die sind, die irgendwie „anders“ gestrickt sind. Das Miteinander befruchtet sich, Komfortzonen verlassen bringt weiter und bequem sein ist doch langweilig.
Ein neuer Aspekt der sich mir bietet, ist dass ich so gut angepasst bin, dass ich immer häufiger mitgeteilt bekomme, mein Autismus würde in den Hintergrund geraten und es würde dadurch vergessen werden, dass ich Autistin bin.
Ich weiß nicht recht, wie ich mich am besten verhalten soll.
Ich will nicht zu sehr auffallen, mit Andersartigkeit, „speziell“ sein und Züge meines Wesens offenbaren, die ich auch als verletzlich wahrnehme.
Wenn ich aufblühe, mit meinen Leidenschaften und Interessen, dann ist es eine tiefe Liebe die ich dadurch zum Ausdruck bringe. In diesen Dingen und Bereichen empfinde ich eine Sinngebung für mich und mein Wesen. Ich sehe sie als Aspekte, die mich ausmachen und Teile von mir sind. Dadurch eröffne ich einen Blick in mein Inneres. Ich bin dann nicht Anna, die super Hosen verkaufen, toll zuhören oder sehr fleißig ist, sondern ich bin Anna, die leidenschaftlich gerne puzzelt, dabei laut singt, Kinderhörspiele hört, bei Filmen weint und sich traut Fragen zu stellen über „Offensichtliches“. Ich kann meine Hüllen fallen lassen und mich ganz als ich geben.
Wie finde ich eine Balance, zwischen meinem Auftreten der Außenwelt gegenüber und dem was ich als mich, als mein Wesen und meinen Kern sehe?
Wie weit kann ich gehen?
Manchmal verletzt mich, wenn scheinbar übergangen wird, dass ich Autismus habe. Manchmal empfinde ich es als Kompliment. Oft fühle ich beides. Und das ist in Ordnung so.
Ich denke wichtig ist sich mitzuteilen. In Gesprächen, oder zum Beispiel hier, in einem öffentlichen Raum. Das Menschsein ist so vielfältig und spannend und wir können so vieles kennen lernen.
Jetzt stellt sich natürlich die Frage, wie sollte es denn im Optimalfall sein, das Verhältnis zu einem Arzt oder einer unterstützenden Fachperson?
Dies kann und möchte ich nur individuell von meinem Standpunkt heraus beantworten und es besitzt keine Allgemeingültigkeit.
Ich wünsche mir von meinem Arzt, dass er mir zuhört. Ich wünsche mir, dass er sich mit meinem Gesprochenen auseinandersetzt und fragt. Viel fragt. Ich erwarte nicht, dass er meinen Autismus versteht, darum geht es nicht und das ist auch utopisch, denn jeder Mensch, jeder Autist, ist anders.
Jedoch wünsche ich mir Offenheit. Sowie viele gezielte Fragen.
Ich wünsche mir durch die Fragen, dass der Arzt nicht einer vorgefertigten Meinung über mich und meinen Autismus erliegt. Ich erhoffe mir, dass er mutig ist und es als Mehrwert erkennt die Komfortzone zu verlassen und sich neuen Themen zu öffnen.
Ich wünsche mir, dass bevor ich in den Behandlunsgraum komme, kurz meine Akte überflogen wird, sodass von vorneherein klar ist, ich habe Autismus und mit mir ist rhetorisch anders zu reden, sodass ich es gut, besonders bei Aufregung, verstehen kann.
Ich erwarte ernst und für vollgenommen zu werden.
Ich wünsche mir von meinem Arzt, dass er die Zusammenhänge zwischen psychischer und physischer Gesundheit kennt und erkennt.
Vorallem wünsche ich mir ein Vertrauensverhältnis, in welchem ich mich traue mich zu öffnen und zu erzählen, wie es mir wirklich geht, ohne mich gehemmt oder beschämt zu fühlen. Es erfordert großen Mut darüber zu sprechen.
In der Hinsicht komme ich mit meiner jetzigen Hausärztin gut zurecht. Ihre Vorgängerin war der Typ „schnell abfertigen“.
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Das freut mich, es ist wichtig, dass sich Zeit genommen wird. 🙂
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