Wie ich meine Arbeit wahrnehme

Der Einzelhandel hat mich geschult auf fremde Menschen zuzugehen.

Ich fühle mich wohl in meinem kleinen Reich. Veräume und sichere gerne Ware, sortiere, hänge auf und um. Ich habe mich schnell hinein gefunden in das Reich der Klamotten, voll verschiedener Ausfertigungen, Schnitte und Passformen.

Hatte ich Anfangs einen ruhigen Moment und Luft im Laden, nahm ich mir einige Klamotten mit zur Kasse, verglich die Ausfertigungen und Schnitte, machte mir Notizen und Skizzen, von Hosen, wie die Potaschen an den Hosen angebracht sind und ob die Hose beispielsweise hüftig sitzt. Ich versuchte es wissenschaftlich anzugehen und wusste zugleich, learnin´ by doing würde mich weiter bringen.

Sehr wichtig ist mir, Ordnung im Laden zu halten. Mein Blick für jedes Detail lässt mich schnell erkennen, wenn ein Bügel verkehrt herum hängt, die Hose nicht so gefaltet ist, wie sie sein sollte oder zum Beispiel ein Etikett heraus baumelt.

Die Größe und der praktische Schnitt unseres Ladens lässt dies auch sehr gut zu. Alles ist angenehm hell ausgeleuchtet, kein zu kaltes oder zu grelles Licht, und lässt sich so gut im Überblick, gut Instand halten.

Was mich überrascht ist, dass ich die Reize, wie die Hintergrundmusik erstaunlich gut herausfiltern kann. Dies ist ein Aspekt, der mir normalerweise im Alltag großen Stress bereitet, häufig belastet es mich schon sehr, wenn sich im Bus Menschen laut unterhalten, oder Musik mit einem unangenehm hoch eingestellten Bass erklingt.

Viele Stoffe die ich auf der Arbeit berühre fühlen sich ganz unterschiedlich an, ich kann jedoch auch die sensorischen Reize gut filtern. Das macht mich wirklich stolz!

Ich hätte nicht  gedacht, dass mir der Kontakt mit Kunden solch einen Spaß machen würde. Ich wusste, dass ich fit im Small Talk bin, sowie meine Körpersprache im Griff habe, hatte jedoch zugleich Bedenken, ob mir die Reize, sowie die recht unregelmäßigen Arbeitszeiten vielleicht zuviel werden könnte.

Die Arbeitszeiten waren anfangs tatsächlich eine Umstellung für mich. Hielt der Tag eine erst am Nachmittag beginnende Spätschicht für mich bereit, fiel es mir den gesamten Tagesabschnitt vorher schwer an etwas anderes zu denken, zu funktionieren. Es belastete mich sehr, von einer gefühlten Entfaltung ganz abzusehen. Häufig schlief ich vorher lange und fühlte mich alles in allem recht unwohl.

War ich zur Frühschicht eingeteilt, fiel es mir schwer aufzustehen und ich konnte vor der Arbeit nichts essen.

Wir waren chronisch unterbesetzt, sodass der Stress am Arbeitsplatz erst richtig begann. Gefühlt schienen wir dem von uns gefordertem Pensum hinterherzurennen und nie anzukommen.

Nachdem ich meinen Arbeitgeber und somit auch das Geschäft wechselte, besserte sich die Situation schlagartig und ich konnte anfangen aufzublühen. Nun gehe ich gerne zur Arbeit, kann vor meiner Spätschicht meinen Tag erleben, Dinge erledigen und empfinde keinen Stress beim Gedanken, später im Tagesverlauf noch zur Arbeit zu gehen.

Im Gegenteil, ich habe gerne die Spätschicht und es ist mir zum liebgewonnen Ritual geworden, abends gemeinsam mit meinem Freund nach hause zu gehen. Mich zu unterhalten, die frische Luft einzuatmen und den Tag Revue passieren zu lassen.

Die Stadt scheint einen Schritt zurück getreten zu sein, Luft zum Atmen zu lassen. Alles ist etwas gedämpfter und zugleich liegt eine Klarheit um mich herum, die in der Hektik Stunden zuvor flimmerte.

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