Die Zeit ist eine spannende Sache. Für mich wird sie wohl immer ein unlösbares und schwer einzuschätzendes Rätsel bleiben.
Rein von den Fakten her, vom physikalischen, gibt es sie ja gar nicht.
Und genau so, frei nach diesem Motto lebe ich.
In meinem Zimmer, und auch in meiner Wohnung, gab und gibt es keine Uhren. Abgesehen von einer kleinen im Badezimmer.
Ich versuche so weit wie möglich, ohne Uhren zu leben. Versuche mir die Zeit selber einzuteilen.
Ich mag es nicht, gehetzt zu werden. Erlebe den ständigen Blick auf die Uhr als Zwang, der mich einengt und stresst. Wenn es sich vermeiden lässt, lebe ich ohne Uhr.
Es fällt mir sehr schwer, pünktlich zu sein. Entweder ich bin viel zu früh, oder deutlich zu spät. Trotz ständigem Blick auf die Uhr meines Handys.
Ich habe einfach kein Gefühl für Zeiteinteilungen. Kann sie nicht ein- und abschätzen.
Und will es auch eigentlich gar nicht. Denn sie ist von Menschen erfunden, und ich mag mich dem nicht gerne beugen.
Diese Zeiteinteilungen ist natürlich sehr wichtig für das soziale Gefüge, für das Zusammenleben.
Verabrede ich mich daher mit jemandem, versuche ich oft nicht mehr die Zeit anzugeben, an der ich am vereinbarten Treffpunkt da sein möchte, sondern der Punkt, an dem ich losfahre. Dieser ist für mich leichter zu planen.
Nenne ich einen Punkt, an dem ich da bin, kann ich ihn vielleicht (oder sogar sehr wahrscheinlich) nicht exakt einhalten.
So viele schwer, oder nicht vorhersehbare, Geschehnisse können eintreffen, die mich in Zeitverzug bringen und meine Ankunft verzögern.
Oft mache ich es mir aber auch selber schwer. Weil ich trödele, mich an Kleinigkeiten festbeiße und so den Zeitpunkt des Aufbrechens immer weiter hinauszögere. Oder ganz vergesse. Weil ich so vertieft in irgendetwas bin.
Besonders unpünktlich bin ich, seitdem ich ein Auto besitze. Damals, mit dem Bus fahren, war ich immer relativ pünktlich. Es sei denn, er hatte Verspätung.
Doch saß ich erst einmal drin, konnte nichts mehr passieren.
Anders als beim Auto fahren.
Hier lasse ich mich schnell und gerne ablenken. Auf dem Weg hin, vielleicht ein kleines Gespräch mit den Nachbarn.
Ich vergesse etwas, und muss schnell nochmal hochlaufen.
Am Auto angekommen muss ich erst einmal alles verstauen.
Einen Blick unters Auto werfen, ob eine Pfütze zu sehen ist (ich bin Marder geprägt).
Sitze ich dann endlich im Auto, wird mein Handy per Bluetooth mit der Freisprechanlage verbunden.
Musik ausgewählt. Ein/ zwei Nachrichten beantwortet.
Los geht die Fahrt.
Mein Leben ohne Uhr ist genau richtig für mich.
Feste Zeiten machen mir Stress. Weiß ich, dass um Zeitpunkt XY etwas, mehr oder weniger wichtiges, angesetzt ist, schaue ich zwanghaft auf die Uhr (sofern sie vorhanden ist).
Ich kann dann nicht abschalten. Sage mir im Kopf immer wieder die Uhrzeit vor, die wir genau in diesem Moment haben. Überlege wie viel Zeit noch ist, bevor der Termin ansteht. Immer und immer wieder.
In besonders stressigen Phasen, wie zum Beispiel des Zeitraumes der Ausübung meines Nebenjobs, der Industriereinigung, war es für mich besonders schlimm.
Am Wochenende stand mir die Arbeit bevor. Ab ca. Mittwoch musste ich fast ununterbrochen daran denken.
Daran, dass bald Samstagmorgen ist.
Daran, um wie viel Uhr ich aufstehen muss.
Wie viel Zeit mir noch bleibt.
Am Freitag wurde es jedes Mal besonders schlimm. Die Arbeit stand unmittelbar bevor und je näher sich der Abend neigte, umso schlimmer wurde es.
Ich wurde nervös. Schaute fast nur noch auf die Uhr und berechnete wie viel Zeit mir noch blieb, bis ich mich auf den Weg zur Arbeit machen musste.
Ich rechnete runter, wann ich schlafen müsste um Stunde X an Schlaf zu haben.
Ich plante, wann ich aufstehen musste, um alle Erledigungen vorher zu schaffen.
Im Kopf ging ich mehrmals mein Essen für den Arbeitstag durch. Immer und immer wieder. Ebenso die Zeit, wie lange ich benötigen würde um es zu zubereiten.
Der Abend wurde später und später. Meine Panik größer. Ich war im Bett, konnte allerdings nicht schlafen.
Mein Zeitplan war dahin.
Ich würde nicht auf die geplante Schlafenszeit kommen. Der Druck wurde immer größer, und die Uhr zum Feind.
Unerbittlich verdeutlichte sie mir den näher rückenden Zeitpunkt, am dem ich das Haus verlassen müsste.
Ich weiß, dass die Zeit und ihre Einteilung unermesslich für unsere Art zu leben ist. Sie hilft uns eine Orientierung im Leben zu haben. Ohne sie wäre ein heutiges Zusammenleben nicht, oder nur erschwert, möglich. Gerade deswegen genieße ich meine kleinen, ´zeitfreien´ Oasen umso mehr. Die Momente des Durchatmens und Abschaltens. Die Augenblicke in dem ich einfach nur bin. Im Hier und Jetzt existiere, und mir die anderen Zeitebenen relativ egal sind.
Das kommt mir vielfach bekannt vor. Vor allem Termine am Abend oder späte Arbeitsbeginnzeiten können mir meine freien Tage bzw. Freizeit zunichte machen, weil ich dabei scheitere, Aktivitäten so zu planen, dass ich dann rechtzeitig dort bin. Oft mache ich dann gar nichts und habe hinterher ein schlechtes Gewissen.
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Das kann ich gut nachvollziehen. Ein schlechtes Gewissen dir oder den anderen gegenüber?
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Mir gegenüber
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Geht mir in diesen Momenten sehr ähnlich. Manchmal kommt dann noch Scham dazu.
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